Es läutet
ein Dialog von Margit Plattner
Es läutet.
Fritz macht auf.
Ja bitte?
Ein Kind, schon wieder ein Kind, noch dazu ein höfliches, grässlich, denkt er. Warum machen immer Kinder die Türe auf? Das ist eigentlich sehr verantwortungslos von den Eltern. Da könnte ja Weissgottwer läuten, das Kind kidnappen, Lösegeld, das die Eltern gar nicht haben, verlangen, die dann einen Kredit aufnehmen müssten, der sie lebenslang verschuldet und sie deshalb ihrem Kind keine gute Ausbildung zukommen lassen können, wobei ja jeder weiss, dass null Bildung fast immer in schräge Kreise führt und irgendwann ist die Polizei schneller und das traurige Schicksal nimmt seinen Lauf. Ist deine Mutter zuhause?
Warum?
Weil ich ihr was zeigen möchte.
Was denn ?
Dazu muss man erwachsen sein.
Maamaa, du sollst kommen, aber nur, wenn du erwachsen bist.
Die Mutter von Fritz schüttelt den Kopf und geht zur Tür.
Ja bitte, fragt sie.
Gestatten, mein Name ist Adelbert Nerv-Töter. Töter mit ö und hartem t. Meine Frau hat auf den Doppelnamen bestanden, obwohl ich der Meinung bin, dass Edeltrude – meine Frau, froh hätte sein müssen, ihren scheußlichen Namen los zu sein. Aber was tut sie? Sie verlangt von mir, wenn ich sie liebe, dann muss ich auch ihren Namen schön finden.
Das tut mir leid. Äh, nein, das tut mir nicht leid, ach was. Sie verwirren mich, was wollen sie ?
Dürfte ich eintreten? Es redet sich leichter im Sitzen.
Wieso im Sitzen? Hören sie Herr …
Gestatten Adelbert Nerv-Töter. Töter mit ö und…
hartem t, ja ich weiss. Was wollen sie ?
Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben? Heute ist der Tag so warm geworden, obwohl der Wetteransager im Radio Stein und Pein geschworen hat, dass es regnen wird. Darum hab ich auch dieses Sakko angezogen, obwohl Edeltrude, meine Frau, meinte, man könnte den Wettervorhersagen überhaupt nicht mehr trauen. Es stimmt einfach nix mehr. Vor 5 Tagen war im Radio beim Wetterbericht die Rede von Sonnenschein und blauem Himmel. Meine Edeltrude hatte in der Stadt was zu erledigen und entschied sich darauf hin für ihr leichtes Sommerkleidchen. Was soll ich ihnen sagen, geregnet hat es, zuerst nur leicht, aber dann begann es zu schütten, der Gewitterwind brauste, es blitzte und donnerte. Meine liebe Edeltrude wurde patschnass und ist ihren fürchterlichen Schnupfen bis heute nicht losgeworden. Na, ja heute eben hat der Wetterbericht wieder nicht gestimmt, ich bin zu warm angezogen und schwitze. Dürfte ich bitte hereinkommen und mich setzen, mein Kreislauf.
Gut Herr Nerv. Jaja Nerv-Töter, ich weiß, kommen sie meinetwegen herein und setzen sie sich einen Moment.
Und dürfte ich um ein Glas Wasser bitten?
Ja, ein Glas Wasser, sofort.
Oh, vielen Dank, oh das tut gut, danke vielmals. Ich bemerke am Geschmack, sie kaufen Mineralwasser. Ich sage ja immer zu meiner lieben Frau, Edeltrude sag ich, kauf doch mal ein Mineralwasser. Das trinkt sich irgendwie leichter, um nicht zu sagen flüssiger. Aber meine Frau meint, solange wir so gutes, bekömmliches Leitungswasser direkt aus dem Hahn haben, kann sie es nicht vertreten, ein Mineralwasser um teures Geld zu kaufen. Denk an die armen Leute in Afrika, sagt sie, die haben kein gutes Wasser, direkt aus dem Hahn. Die gehen kilometerweit zu einer Pfütze irgendwo und schleppen schmutziges Wasser nach Hause. Oh, wie haben wir es doch gut, sagt meine liebe Frau.
Herr Nerv-Töter mit ö und hartem t, sie sitzen gut, sie haben ein Glas Wasser, ich kenne die Ansichten ihrer lieben Frau zum Wetter und zum Kauf von Mineralwasser, ich bitte sie , warum haben sie bei mir geläutet.
Ja, natürlich, entschuldigen sie, der Grund meines Besuches ist…. Würde es ihnen etwas ausmachen, wenn ich mir kurz meinen Schuh ausziehe?
Warum?
Wissen sie, ein Überbein am rechten großen Zeh, sehr schmerzhafte Angelegenheit. Ich wache in der Früh auf und es ist da.
Aus dem Nichts, ohne Vorwarnung, einfach da. Was soll ich ihnen sagen, da hat eine Behandlung die andere abgelöst. Und was hat es mir gebracht, nichts, absolut nichts. Meine liebe Frau Edeltrude hat ja ganz recht gehabt. Sie wusste es gleich. Das bringt nichts, wenn du Magenbitter trinkst, sagte sie und es wird auch nichts bringen, wenn du dein Knie mit dieser Stinkesalbe einreibst. Was sind das bloß für Ärzte. Aber ich habe nicht auf sie gehört und jedes Rezept genau befolgt. Was hab ich davon, es tut genau so weh wie vorher. Ich rate ihnen, wenn sie ein Überbein an sich bemerken, sparen sie sich den Doktor, die können es nicht heilen, es bleibt. Wollen sie es sehen?
Nein, nein, danke, behalten sie bitte ihren Socken an. Es tut mir leid, dass ihnen nicht geholfen wurde.
Oh nein, so kann man das nicht sagen – könnte ich bitte noch ein Glas Mineralwasser haben? Der Magenbitter, der mir verschrieben wurde, hat sehr gut geholfen – mein Magen ist seitdem viel entspannter.
Herr Nerv-Töter, was wollen sie, warum haben sie geläutet?
Ja, so, der Grund meines Kommens – sie werden erfreut sein, wenn ich ihnen sage, warum ich hier bin. Denken sie an mein Wasser? Mein Gaumen – sehr trocken.
Nein, kein Wasser, nicht einen Tropfen, wieso soll ich erfreut sein, was wollen sie?
Herr Nerv-Töter öffnet beleidigt seine Aktentasche.
Ein wunderbares , um nicht zu sagen epochales Hilfsmittel für ein organisiertes, durchgeplantes Leben einer so viel beschäftigten Frau wie sie, wollte, ja wollte ich ihnen anbieten. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich nicht gehen soll. Meine liebe Frau Edeltrude – sie hat meine überragende Menschenkenntnis sofort erkannt – sagt immer zu mir – Adelbert, wenn die Leute deine Genialität nicht auf Anhieb erkennen, lass sie, geh, wenn du sitzt steh auf und geh – sie haben es nicht besser verdient. Mein Gaumen – dürfte ich um ein….
Was, was – zum Letzten mal – was wollen sie ?
Aber liebe Frau – ich will doch nichts – ich bringe ihnen etwas.
Waaaas ?
Das da.
Ein Kalender ? Mitten im August ? Aber das ist doch – ein Kalender vom Vorjahr ? Raus. Raus sofort. Raus, raus, raus.
Aber gnädige Frau, das ist doch das geniale. Wer weiß schon vom Vorjahr noch wer, wann, wo Geburtstag hatte, wann voriges Jahr der Arzttermin zur Warzenentfernung war. Wenn z.B. die Warze wiedergekommen ist, wie soll man den Arzt klagen, wenn man das Datum nicht mehr weiß.
Herr Nerv…. Nerv…
Nerv-Töter
Ja, ja ich weiß mit ö und t, gehen sie wenn ich einen kaufe? Was um alles in der Welt kostet ihr Kalender vom Vorjahr?
Äh, hmm, das weiß ich gar nicht.
Wieso wissen sie das nicht?
Das hat mich noch niemand gefragt.